05.11.2018

Tag der Bauwirtschaft am 1. November 2018

Bau- und Ausbauhandwerk fordert: „Umdenken auf ganzer Linie nötig!“


„Nein, wir sind nicht im unternehmerischen Schlaraffenland – auch wenn die Nachfrage nach unserer Arbeit enorm ist“!

Mit dieser Botschaft wandte sich der Präsident der Landesvereinigung Bauwirtschaft, Rainer Lorenz, an die ca. 450 Gäste des Tages der Bauwirtschaft 2018 in Hannover.
Zum einen sei der Fachkräftemangel mittlerweile das größte Hindernis für die Betriebe – in einer aktuellen Umfrage gaben 64 % der befragten niedersächsischen Betriebe an, dass der Fachkräftemangel sie mehr an der Auftragsabarbeitung hindere als der bisherige Spitzenreiter bei derartigen Umfragen – der Aufwand für Bürokratie.  „Zwar liegt die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in diesem September in Niedersachsen um 2,5 % über dem Vorjahreswert. Aber das reicht nicht, um den Bedarf zu decken – wir würden gern noch mehr geeignete Bewerber einstellen.“, so Lorenz.
Es sei zwar positiv, dass die niedersächsische Politik mittlerweile umsteuere und die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung im Koalitionsvertrag verankert habe. Doch nun sei es Zeit, dass durch konkrete Maßnahmen z.B. in Sachen Ausstattung der Berufsschulen auch deutlich werde, dass sich etwas tut.

Auch bei seinem zweiten Schwerpunkt stellt Lorenz fest: „Wir würden gern einen größeren Beitrag leisten, um auch für die mittleren und niedrigen Einkommen Wohnungen zu bauen. Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen an vielen Stellen geändert werden. Die Politik kann und muss jetzt ihren Beitrag dazu leisten.“
Dass Handlungsbedarf beim Thema „Bezahlbares Bauen und Wohnen“ bestehe, sei zwar inzwischen auf allen Ebenen der Politik angekommen. Lorenz nannte den Wohnungsgipfel auf Bundesebene und das -von Minister Lies in Niedersachsen initiierte-  „Bündnis für Bezahlbares Wohnen“, dessen Ergebnisse am 7. November veröffentlicht werden, eine gelungene Arbeitshilfe von Praktikern. „Aber jetzt müssen die Ergebnisse von Gipfeln, Bündnissen und Kampagnen in konkrete Taten umgesetzt werden. <Bezahlbaren Wohnraum> zu schaffen, ist das Schwarzbrotthema der nächsten Jahre, nicht nur ein Kampagne-Thema, das dann wieder anderen Kampagnen weichen muss“, so Lorenz. 
Wichtig sei, dass die Landesregierung die Umstrukturierung der bisherigen Wohnraumförderung schnell umsetze. Dazu gehöre auf jeden Fall, dass die Förderung sowohl von Sozialwohnungen als auch von Wohnungen für die mittleren Preissegmente regionalisiert werden muss: „In Ballungsgebieten sind die Baukosten pro m2 wegen der Grundstückspreise nun einmal höher – deshalb muss es dort eine andere Bemessungsgrenze für die Förderung geben als im günstigeren ländlichen Bereich“.  Die derzeitige Ausstattung des niedersächsischen Wohnraumförderfonds reiche nicht, um diese neuen Ideen umzusetzen. Erforderlich sei eine klare landespolitische Entscheidung zur Mittelaufstockung in einem neuen Wohnraumförderprogramm zum 1.1.2019 !
Zudem forderte Lorenz ein Umdenken bei der Stadtentwicklung – dazu gehöre nicht nur die Bereitstellung von geeignetem Bauland durch die Kommunen – vielmehr müsse auch die Zulassung von gemischten Wohngebieten statt reiner Wohngebiete mit entsprechender Verdichtung  vorangetrieben werden.
Ein Umdenken sei auch erforderlich bei dem Vorschreiben von Baustandards: „Es kann nicht sein, dass Bau- und Ausbauunternehmen auf den Baustellen verzweifeln, weil sich die jeweiligen Vorgaben z.B. für Schall- und Brandschutz, Barrierefreiheit und Energieeinsparung widersprechen und die Kosten in die Höhe treiben.“
Schließlich sei auch bei Fragen der Energieeinsparung eine ehrliche Diskussion erforderlich: Man müsse es ergebnisoffen überprüfen, warum die „auf dem Papier“ von der Energieeinsparverordnung prognostizierte Energieeinsparung oft nicht erreicht werde. „In der Praxis gibt es Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Vorgaben – hierüber müssen wir offen reden und nach Lösungen suchen“, so Lorenz.

In seiner anschließenden Rede wies der niedersächsische Kultusminister Tonne darauf hin, dass sich die Landesregierung in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag an mehreren Stellen die Stärkung der dualen Ausbildung thematisiert habe. Dazu gehöre u.a. die Verstetigung der  Mittel für die Überbetriebliche Ausbildung, aber auch das jetzt neue Einbeziehen der Berufsschulen in den Masterplan Digitalisierung. Vor allem die Ausbildung der Lehrer/Innen sei eine wesentliche Zukunftsaufgabe – insbesondere mit Blick auf den Lehrermangel an den Berufsschulen. 

Nach dem Blick auf Niedersachsen warf Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Bauwirtschaft einen Blick darauf, was die Bau- und Ausbauwirtschaft aus Berlin zu erwarten hat. Dass es derzeit in 16 Bundesländern 13 unterschiedliche Regierungskonstellationen gebe, mache die Entscheidungsfindung nicht leichter. Über viele Themen wie den Umgang mit Dieselfahrzeugen oder die Bauproduktenverordnung werde viel zu lange ohne zufriedenstellendes Ergebnis diskutiert. Das Ergebnis des Wohngipfels auf Bundesebene sei zwar insgesamt ein Erfolg, allerdings sei die konkrete Ausgestaltung an vielen Stellen hinter den Erwartungen zurückgeblieben. „Auch das Thema Maut lässt uns nicht los“, so Pakleppa. Es gelte aktuell zu verhindern, dass die Maut nicht auf Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwischen 3,5 t und 7,5 t ausgedehnt werde.

Als Überraschung überreichte anschließend NHT-Präsident Mike Schneider den Ehrenthaler des Niedersächsischen Handwerks: Zum einen an Dirk Schnittger als Anerkennung für seinen Fokus auf die Interessen des Handwerks während seiner Tätigkeit bei der Signal Iduna. Zum anderen erhielt die Auszeichnung Friedrich Budde für sein insgesamt 35-jähriges ehrenamtlichen Engagement für das SHK-Handwerk, die Kreishandwerkerschaft, die Handwerkskammer und die LV Bauwirtschaft.

Abgerundet wurde die Veranstaltung von Dr. Volker Busch, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, der wissenschaftlich fundiert und zugleich praxisnah und unterhaltsam einen Einblick gab, wie sich die Motivation von Menschen - Arbeitgeber/in oder Mitarbeiter/in- positiv gestalten lässt. Entscheidend sei u.a., dass sich jeder Mensch – ob nun Chef/in oder Arbeitgeber/in – immer wieder Neuem zuwende und Veränderungen zuließe. Um dies zu trainieren, lud er alle Anwesenden ein, gelegentlich einen „Revolutions-Tag“  einzulegen – seine anschaulichen Beispiele dazu machten Lust auf tatsächliche Umsetzung im Alltag… so jedenfalls konnte man die amüsiert- begeisterte Reaktion der Anwesenden werten.

In der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen haben sich die acht Verbände der mittelständischen niedersächsischen Bau- und Ausbauwirtschaft zusammengeschlossen. Sie vertritt somit die Interessen von ca. 16.000 niedersäch-sischen Betrieben. Mitglied sind im Einzelnen der Baugewerbe-Verband, der Landesinnungsverband des Dachdeckerhandwerks, der Landesinnungsverband für Elektro- und Informationstechnik, die Landesinnung Niedersachsen des Gebäude-reiniger-Handwerks, der Malerverband, der Landesverband Metall, der Fachverband Sanitär-, Heizungs-,  Klima- und Klempnertechnik und der Verband des Tischler-handwerks. Auf Bundesebene umfasst die Bundesvereinigung Bauwirtschaft insge-samt rund 300.000 Betriebe mit zirka 2,7 Millionen Beschäftigten, die 300.000 Men-schen ausbilden. Bundesweit erbringen die mittelständischen Betriebe der Bau- und Ausbauwirtschaft 75 Prozent der Leistungen der gesamten bauausführenden Wirtschaft.

Quelle: Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen e.V.